Pragmatismus in der Versorgung – ambulant und stationär müssen zusammenarbeiten

Die Erhebungen von IGES DKG und Co hinsichtlich Ambulantisierungspotential sind jedem bekannt. Die demographische Entwicklung hinsichtlich der Patientenseite mit kontinuierlich mehr Inanspruchnehmenden sowie die Effekte durch Renteneintritt der Boomer auf der Seite der Leistungserbringer führen zu einem Ungleichgewicht. Hinzu krankt das „alte“ System an nahezu jeder Ecke. Krankenhäuser befinden sich in einem Vakuum ohne klare Perspektive, sicheren Boden gibt es nur in wenigen Bereichen. Klar ist, dass eine relevante Anzahl der klassischen Krankenhausfälle in Zukunft ambulant oder hybrid erbracht werden muss. Das bedeutet erst einmal eine deutlich reduzierte Vergütung bei gleichen Kosten und gleichem Prozess. Hinzu kommen die Effekte durch das KHVVG und die damit verbundene Schließung oder Umwidmung von Krankenhäusern, flankiert von Investitionsstau und Personalmangel in nahezu allen Bereichen. Auf der anderen Seite der Sektorgrenze sieht es nicht besser aus. Der EBM ist seit Jahren unterfinanziert, während man vor einigen Jahren im EBM durch eine hohe Prozessqualität noch wirtschaftlich arbeiten konnte und das sicherlich auch heute noch in einzelnen Bereichen funktioniert, sind die Kosten dermaßen gestiegen, dass auch hier eine Vielzahl an Herausforderungen bestehen. Insbesondere für operativ tätige Ärzte oder Betreiber von OP-Zentren. Neben dem allgemeinen Kostenanstieg beim Invest, einer Ausweitung der Anforderungen durch Aufsichtsbehörden sowie der generellen Problematik bei der Nachfolge konkurrieren diese inzwischen auch mit den Krankenhäusern um die begrenzte Ressource Personal hinsichtlich MFA OTA und vielen weiteren. Fakt ist, dass immer mehr Versorgung rund um die noch existente Sektorgrenze des „alten“ Systems herum organisiert werden muss.

Aus meiner Sicht werden Krankenhäuser einen signifikanten Teil dieser ambulant-hybriden Versorgung übernehmen müssen. Insbesondere im operativen Bereich, da die vorhandenen Strukturen eher rückläufig sind, die Betreiber der Zentren gehen in Rente, eine Nachfolge ist nicht in Sicht. Eine Neugründung, Bau und Ausstattung eines operativen Zentrums heute sind nur selten refinanzierbar und als relevante neue Säule der Versorgung nicht zu erwarten. Letztlich wird es nur gemeinsam gehen, die Erfahrung der Praktiker des ambulanten Bereichs wird benötigt, ebenso wie die Kernkompetenz und die gute Ausstattung des Krankenhauses als Backup. Man ist gut beraten, wenn beide Seiten kooperieren würden, das macht Sinn bei der Primärversorgung in Regionen, wo klassische Krankenhäuser geschlossen oder zu 1n oder 1i umgewidmet wurden. Hier muss der Gesetzgeber den Weg frei machen für unkomplizierte Kooperationsmodelle und den gemeinsamen Betrieb in der ehemaligen Krankenhaushülle. Geförderte Pilotprojekte müssen pragmatisch umgesetzt, evaluiert und systematisch in die Regelversorgung überführt werden. Hier muss man vom Bedarf und vom Prozess her kommen und nicht die Theorie bemühen.

Ein prominentes Beispiel ist die intersektorale Versorgung operativer Patienten, also ein OP-Areal und eine Möglichkeit zur stationären Aufnahme. Hier gibt es seit Jahrzehnten Praxiskliniken, die diesen Job hervorragend machen. Qualitativ und wirtschaftlich. Leider ohne Zulassung und somit auch ohne die Möglichkeit zur Abrechnung stationärer GKV Patienten. Über eine § 30 Privatkrankenanstalt nach GewO haben diese eine Station, die sämtliche Kriterien erfüllt, die auch eine Krankenhausstation erfüllen muss. GKV Patienten können allerdings nur über besondere Versorgungsverträge stationär behandelt werden, oft zum Missfallen der Patienten. Durch die Hybrid DRG haben viele Betreiber einer Praxisklinik auf die lang ersehnte Option zur Abrechnung stationärer Leistungen gehofft und wurden enttäuscht. Diese ist lediglich Krankenhäusern vorbehalten und die ganze Hybrid DRG lediglich ein Transfermedium in Richtung EBM und wird die flächendeckende Versorgung mit diesen intersektoralen patientenzentrierten Strukturen nicht hervorbringen. Obwohl der Bedarf aus meiner Sicht genau für diese vornehmlich ambulanten hoch effizienten und hoch qualitativen Zentren mit einem stationären Backup auf niedrigem pflegerischem Niveau größer denn je ist, wir brauchen alles was wir kriegen können. Allerdings nicht willkürlich, sondern nach klaren Zulassungskriterien. Es muss eine Hürde der Zulassung geben und klare Vorgaben, die Ernsthaftigkeit und kaufmännische Abwägung erfordern.

 

Positionen und Lösungsperspektive

Im aktuellen Diskurs zeigen sich die Fronten. Klinikträger und Krankenkassen fordern sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen, die kleineren Häusern eine Zukunft sichern sollen, ausgestattet mit ambulanter Leistung und Übernachtungsmöglichkeit, finanziert durch Transformationsmittel. Die Deutsche Praxisklinikgesellschaft kritisiert dagegen, dass Praxiskliniken und ambulante OP-Zentren, die seit Jahrzehnten genau diese Versorgung erfolgreich leisten, übergangen werden. Statt Milliarden in Klinikumbauten zu stecken, sollte konsequent in funktionierende ambulante Strukturen investiert werden. Gleichzeitig wird die Fortführung der Trennung von EBM und DRG als Blockade empfunden, wo eigentlich echte Hybrid-DRGs nötig wären.

Auch der frühere Gesundheitsminister Lauterbach hat beim DRG-Forum 2023 betont, er wolle keine dritte Struktur im System, sondern die Krankenhäuser in den Mittelpunkt der Ambulantisierung stellen. Doch dieser Blick auf Sektorengrenzen verstellt die eigentliche Aufgabe. Wir sollten nicht mehr in Sektoren denken, sondern in Versorgung. Entscheidend ist, dass für den operativen Bereich Strukturen entstehen, die nach klaren Kriterien zugelassen sind, die nicht leicht zu erfüllen sind, die aber Ernsthaftigkeit und kaufmännische Abwägung voraussetzen. So entstünde im Sinne der Patienten ein sinnvolles Modell, das Qualität und Verlässlichkeit sichert.

Reine Praxiskliniken existieren ohnehin nur in kleiner Zahl. Krankenhäuser sollten von deren Strukturen lernen und Allianzen schmieden, statt die Unterschiede zu betonen. Der Streit darüber, wer mehr Anspruch auf Ambulantisierung hat, kostet Energie und führt zu Stillstand. Wichtiger ist es, gemeinsam voranzukommen.

Fazit

Wir sollten die Energie nicht in Grabenkämpfe investieren, sondern in Lösungen. Ob operative Zentren, Primärversorgung, integrierte Notfallzentren oder künftige sektorenübergreifende Modelle – das Ziel ist eine Versorgung, die die Patienten in den Mittelpunkt stellt, Prozesse effizient organisiert und Fachkräfte entlastet. Nur wenn wir den Streit hinter uns lassen und die Stärken beider Seiten verbinden, entsteht ein System, das tragfähig, wirtschaftlich und zukunftssicher ist.

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Ambulante OPs wirksam und planbar: Prozesse vor Status

Ambulante Operationen im Short-Track mit klaren Prozessen

Ambulantisierung ist kein Trend, sondern ein praktikabler Hebel, um Versorgung spürbar zu entlasten, ohne Abstriche bei Qualität und Sicherheit zu machen.1
Viele Routineeingriffe lassen sich bei sauberer Patientenselektion ambulant organisieren. Das reduziert Liegetage, schafft OP-Kapazitäten für komplexere Fälle und macht Tagesabläufe berechenbarer. Entscheidend ist jedoch nicht der Abrechnungsstatus „ambulant“, sondern das Setting: klare Pfade, fester OP-Takt und eine verlässliche Nachsorge.

In unserem Buch „Ambulante Transformation im OP“ zeigen wir, wie Kliniken ambulante Eingriffe so strukturieren können, dass Patientensicherheit, Prozessqualität und Wirtschaftlichkeit miteinander vereinbar sind. Dieser Beitrag fasst die Kernprinzipien zusammen. Sachlich, umsetzungsnah und anschlussfähig an bestehende Strukturen.

Warum Ambulantisierung wirkt

Ambulante OPs nutzen Fortschritte in Anästhesie und minimalinvasiven Verfahren. Für Patientinnen und Patienten bedeutet das: schneller zurück in die gewohnte Umgebung, weniger Komplexität, geringeres Infektionsrisiko. Für Teams: keine Ad-hoc-Umschaltungen, sondern planbare Takte durch konsequente Standardisierung, feste Slots und disziplinierte Umsetzung. Für Kliniken: effizientere Ressourcennutzung und freie Kapazitäten für Fälle, die wirklich stationär versorgt werden müssen.

Diese Wirkung stellt sich ein, wenn Prozesse auf Short-Track-Logik ausgelegt sind. Short-Track bedeutet: standardisierte, kurze Pfade von Check-in über OP und Aufwachraum bis zur Entlassung am selben Tag, bei Kriterien, wer ambulant geeignet ist und wie die Nachsorge gesichert wird.

„Ein klar strukturiertes, ambulantes OP-Setting schafft planbare Tagesabläufe und reduziert Schnittstellenprobleme. Short-Track-Strukturen ermöglichen es, Eingriffe in einem festen Takt durchzuführen und Personalressourcen gezielt einzusetzen – das sorgt für weniger Reibung und mehr Effizienz im interdisziplinären Team.“

— Philipp Henßler

Was sich im Klinikalltag konkret ändern darf

Ambulantisierung ist Prozessarbeit. Wer ambulant erfolgreich sein will, braucht ein passendes Betriebsmodell und nicht lediglich neue OPS-Codes. In der Praxis bewähren sich folgende Bausteine:

1) Separate ambulante Pfade
Ambulante Patientinnen und Patienten durchlaufen eigene, kurze Prozesse: Check-in → Prä-OP-Check → OP im festen Takt → standardisierte Aufwach-Protokolle → Entlassung. Diese Pfade sind räumlich und organisatorisch klar vom Zentral-OP getrennt. SSo werden Verzögerungen durch Notfälle vermieden und der Takt bleibt stabil.

2) Präqualifikation und Indikationskataloge
Für jede Indikation (z. B. Hernien, HNO-Eingriffe, Katarakt, ausgewählte Arthroskopien) werden Eignungskriterien definiert, die medizinische Voraussetzungen, Komorbiditäten, die soziale Unterstützung zu Hause sowie individuelle Risikofaktoren umfassen. Die Entscheidung „ambulant vs. stationär“ folgt transparenten Kriterien und nicht der jeweiligen Tageslage.

3) Feste Taktung („OP-Slots“)
Ambulante Eingriffe werden in Takt-Serien geplant. Standardzeiten pro Schritt (Einleitung, Schnitt-Naht, Ausleitung, Turnover) machen die Durchlaufzeiten kalkulierbar. Das Team arbeitet nach einem gemeinsamen Taktplan statt mit individuellen Listen.

4) Verlässliche Nachsorgeketten
Ambulant ist nur so stark wie die Nachsorge. Klare Eskalationspfade, erreichbare Kontaktpunkte, definierte Check-ups (telefonisch/telemedizinisch) und abgestimmte Kooperationen mit niedergelassenen Partnern sichern die Sicherheit und Zufriedenheit der Patienten nach der Entlassung.

5) Qualifizierung und Change
Die ambulante Logik verändert Rollen und Routinen. Dies betrifft alle Bereiche – von der Aufklärung über die Narkoseplanung bis zur Entlassung. Schulungen und Briefings stellen sicher, dass alle die Kriterien, Abläufe und Verantwortlichkeiten kennen.

6) Digitale Unterstützung
IT-gestützte Terminsteuerung, digitale Prä-OP-Checklisten, standardisierte Dokumentation und telemedizinische Follow-ups reduzieren Medienbrüche, sichern Qualität und geben Führungskräften Transparenz über Takt, Turnover und Engpässe.

Wo ambulante OPs wirtschaftlich laufen, und wo nicht

Am stärksten profitieren planbare, elektive Eingriffe von klar getrennten Short-Track-Strukturen. Dort entstehen Tempo, Routine und verlässliche Qualität. Der Zentral-OP ist die richtige Umgebung für Notfälle und komplexe Eingriffe, für ambulante Serien ist er im Regelbetrieb jedoch meist nicht optimal geeignet. Getrennte Short-Track-Einheiten sind in der Praxis organisatorisch und wirtschaftlich überlegen, da sie Taktstörungen durch Notfälle vermeiden, mit festen Slots arbeiten und die Saalwechselzeiten planbar halten. Erfolgreiche Häuser trennen Short-Track-Serien und Zentral-OP-Betrieb daher organisatorisch sauber und teilen gemeinsame Standards in den Bereichen Hygiene, Sicherheit und Zwischenfall-Management.

Vergütung und Politik

Ob ein Krankenhaus ambulant skaliert, hängt neben den Prozessen auch von den Rahmenbedingungen ab. International zeigen sich drei Hebel, die Investitionen in ambulante Strukturen erleichtern:

  • Sektorengleiche Vergütungsmodelle (z. B. Hybrid-DRGs) reduzieren Fehlanreize zwischen ambulant und stationär.
  • Zeitlich befristete Anschubfinanzierungen helfen, die Anfangsinvestitionen für separate Pfade, Takt-OPs und Nachsorgeketten zu stemmen.
  • Klare Kennzahlen (KPIs) schaffen Transparenz über Qualität, Sicherheit, Durchlaufzeiten und Ergebnisse.

Diese Instrumente sind Brücken, keine Selbstzwecke. Sie wirken, wenn die Prozessseite stimmt, und sie laufen ins Leere, wenn ambulante Serien in unpassenden Strukturen durchgeführt werden.

Sicherheit: Standardisierung schlägt  Bauchgefühl

Patientensicherheit ist im ambulanten Setting kein Zufallsprodukt. Sie entsteht durch Standardisierung: definierte Aufklärung, klare Nüchternheits- und Medikationsempfehlungen, Checklisten vor dem Eingriff, systematische Schmerz- und Übelkeitsprophylaxe, dokumentierte Entlassungskriterien und erreichbare Nachsorgekontakte. Das Buch legt besonderen Wert darauf, Sicherheit als Gestaltungsaufgabe zu verstehen: Was verlässlich sein soll, muss als verlässlicher Prozess aufgebaut werden.

Erfolgsfaktoren auf einen Blick

  • Trennung der Logiken: Short-Track-Serien ambulant, Notfälle und Komplexfälle im Zentral-OP. So bleibt beides leistungsfähig.
  • Takt schlägt Einzeloptimierung: Feste Slots und Standardzeiten bringen Stabilität, Auslastung und Ruhe in den Ablauf.
  • Ambulant ist Teamarbeit: Von der Prä-OP über die Anästhesie bis zur Nachsorge. Alle Rollen sind auf die kurze Verweildauer ausgerichtet.
  • Nachsorge ist Teil des Eingriffs: Erreichbare Kontakte, klare Eskalationswege und Tele-Check-ups gehören zum Standard.
  • Transparenz durch Daten: Kennzahlen zu Takt, Turnover, Zwischenfällen und Rückkontakten machen Fortschritte sichtbar und steuerbar.
  • Schrittweise skalieren: Zunächst mit Pilotindikationen starten, dann die Pfade stabilisieren und schließlich das Portfolio geordnet erweitern.

Weiterführend: Einordnung und Ressourcen

Die MEDICA-Reportage beleuchtet den Nutzen und die Umsetzung ambulanter Operaionen und ordnet das deutsche Potenzial im internationalen Vergleich ein. Die Kerngedanken: planbare Takte, separate Pfade und verlässliche Nachsorge, decken sich mit den Prozessprinzipien, die wir in unserem Buch ausführlich behandeln. Ergänzend liefert Prof. Jan-Marc Hodek eine ökonomische Perspektive auf Effekte wie weniger Liegetage, reduzierte Nachtschichten und die Freisetzung von Kapazitäten für komplexere stationäre Fälle.

Unsere Erfahrung zeigt: Ambulantisierung gelingt, wenn Strukturen zur Logik ambulanter Serien passen und wenn die Führung die Umstellung als Betriebsmodell und nicht als Abrechnungswechsel denkt. So wird ambulante Versorgung vom „Nebenbei-Projekt“ zum zweiten, eigenständigen Betriebssystem der Versorgung.

Schematische Darstellung zu Illustrationszwecken; Zeiten, Längen und Abläufe sind vereinfacht und nicht maßstabsgetreu.


Hinweis: Dieser Beitrag basiert auf den Umsetzungsempfehlungen aus „Ambulante Transformation im OP“ (Henßler/Rinke) und greift zentrale Linien der MEDICA-Reportage auf. Wenn Sie die Inhalte vertiefen oder eine Einschätzung zu Ihren OP-Strukturen wünschen, sprechen Sie uns gerne an.

  1. bei klarer Indikationsstellung, standardisierten Pfaden und gesicherter Nachsorge.
    ↩︎

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