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Ambulante Operationen in Deutschland: Chancen und Herausforderungen für Kliniken

Ambulante Operationen in Deutschland: Chancen und Herausforderungen für Kliniken

Das operative Spektrum in Deutschland steht vor einem Wendepunkt. Trotz internationaler Entwicklungen ist der Anteil ambulanter Operationen hierzulande signifikant geringer als in vergleichbaren Ländern. Verschiedene strukturelle, finanzielle und regulatorische Faktoren tragen zu dieser Diskrepanz bei. Doch die Ambulantisierung ist ein unausweichlicher Trend, der das Gesundheitswesen in den kommenden Jahren maßgeblich prägen wird. Kliniken müssen sich auf diese Transformation einstellen und innovative Lösungen finden, um wirtschaftlich erfolgreich zu operieren.

Geringer Anteil ambulanter Operationen: Ursachen und Hintergründe

Deutschland hinkt beim Anteil ambulanter Operationen hinterher. Eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass hierzulande nur etwa 18 % der Operationen ambulant durchgeführt werden, während der Durchschnitt in europäischen Nachbarländern bei etwa 40 % liegt (Bertelsmann Stiftung, 2022). Länder wie Schweden und Dänemark erreichen sogar eine Ambulantisierungsquote von über 70 % bei bestimmten Eingriffen wie Leistenhernien (Die Chirurgie, 2023).

Eine wesentliche Ursache dafür liegt in den Strukturen des deutschen Gesundheitssystems. Die Trennung zwischen dem ambulanten und stationären Sektor ist historisch stark verankert. Diese sektorale Trennung erschwert eine nahtlose Verlagerung von Eingriffen in den ambulanten Bereich. Zudem existieren nach wie vor finanzielle Anreize, Eingriffe stationär durchzuführen. So bleibt die Vergütung ambulanter Operationen in vielen Fällen unzureichend, was es Kliniken erschwert, ambulante OP-Bereiche wirtschaftlich zu betreiben (IGES-Institut, 2021).

Finanzielle Hürden: Die Rolle der Hybrid-DRG und Unterfinanzierung

Ein weiteres Hindernis stellt die chronische Unterfinanzierung ambulanter Eingriffe dar. Die Einführung der Hybrid-DRG, die eine sektorengleiche Vergütung ermöglichen soll, wurde von vielen Expert:innen als unzureichend bewertet. Diese Hybrid-DRGs sollen sowohl für ambulante als auch für stationäre Leistungen angewendet werden, doch ihre Vergütungshöhe bleibt oft hinter den stationären DRGs zurück. Dies führt dazu, dass Kliniken aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin stationäre Behandlungen bevorzugen, selbst wenn eine ambulante Versorgung medizinisch vertretbar wäre (Bundesministerium für Gesundheit, 2023).

Ambulantisierung: Unaufhaltsamer Wandel

Trotz dieser Herausforderungen schreitet die Ambulantisierung voran. Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der Krankenhausreform das Ziel gesetzt, den Anteil ambulanter Operationen deutlich zu steigern. Dies wird Kliniken vor die Herausforderung stellen, mit weniger Vergütung pro OP-Fall wirtschaftlich zu arbeiten. Ein Beispiel für den angestrebten Wandel ist die Erweiterung des AOP-Katalogs (Ambulantes Operieren), der mittlerweile viele Eingriffe umfasst, die früher nur stationär durchgeführt wurden (Bundesministerium für Gesundheit, 2023).

Innovative Lösungen: Wirtschaftlich erfolgreich operieren

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Effizienzsteigerung. Ein Modell, das in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, ist das der Praxisklinik. Diese Einrichtungen zeigen, dass schlanke und standardisierte Prozesse wesentlich zur Kosteneffizienz beitragen. Auch für Kliniken sind diese Ansätze umsetzbar. Dabei ist nicht immer ein kostspieliger Neubau notwendig. Vielmehr können durch gezielte Prozessoptimierungen und räumliche Umstrukturierungen erhebliche Effizienzgewinne im OP-Bereich erzielt werden (Bertelsmann Stiftung, 2022).

Studien haben gezeigt, dass standardisierte Prozesse und optimierte Patient:innenflüsse zu einer höheren Fallzahl und einer Reduktion der Operationsdauer führen können, ohne die Qualität der Versorgung zu beeinträchtigen. Dies eröffnet Kliniken die Möglichkeit, trotz geringerer Vergütung pro Fall wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten (Die Chirurgie, 2023).

Fazit: Ambulantisierung als Chance

Die Ambulantisierung bietet Kliniken die Chance, effizienter zu arbeiten und gleichzeitig den Patientenkomfort zu steigern. Indem sie bewährte Modelle wie das der Praxisklinik adaptieren und Prozesse optimieren, können Kliniken den Übergang zu einem stärker ambulant ausgerichteten Gesundheitswesen erfolgreich meistern. Es ist an der Zeit, diese Herausforderung als Chance zu begreifen und den Wandel proaktiv zu gestalten.

 

Quellen:

      • Bertelsmann Stiftung. (2022). „Zukunftsfähige Gesundheitsversorgung: Wie ambulante und stationäre Versorgung besser verzahnt werden kann.“

      • Bundesministerium für Gesundheit. (2023). „Krankenhausreform und Ambulantisierung: Ein Überblick.“

      • Die Chirurgie. (2023). „Ambulante Versorgung bei Leistenhernien in Schweden und Dänemark.“

      • IGES-Institut. (2021). „Gutachten zur sektorenübergreifenden Versorgung: Ambulante Potenziale im stationären Bereich.“

    Philipp Henßler

    Gesundheitsökonom MBA
    Geschäftsführer

    • Langjährige Erfahrung im Klinik-, Service & MVZ-Management u.a. Prokurist / Klinikdirektor medius KLINIKEN gGmbH im Landkreis Esslingen bei Stuttgart
    • Experte für Krankenhausfinanzierung, Analyse des Leistungsportfolios und Wirtschaftlichkeitsberechnungen
    • Lehrbeauftragter der Steinbeis Hochschule und der Ravensburg Weingarten University (RWU)

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